Leverkusens Diaby – der Frankfurter Hintermannschaft einen Schritt voraus
Ein Gastbeitrag von Luis Österlein
Die Bundesligaspielzeit 2020/2021 neigt sich dem Ende entgegen. Während der Kampf um die Meisterschaft weitestgehend entschieden ist, bleibt der Kampf um die für Champions League weiterhin bestehen. Am 31. Spieltag kam es auch zu einem direkten Duell um die begehrten Startplätze für die Königsklasse – Bayer 04 Leverkusen war bei Eintracht Frankfurt zu Gast. Nach einer ereignisarmen ersten Hälfte ging die Werkself Richtung Ende der 2. Halbzeit mit 2 Treffern in Führung. Leverkusen war also auf einem guten Weg den Abstand auf den vierten Platz zu verkürzen.
Kurz vor Ende der regulären Spielzeit konnte Frankfurt jedoch den Anschlusstreffer erzielen und es bestand die Gefahr, dass der Sieg der Leverkusener nochmal ins Wanken geriet. Aber die Hoffnung der Frankfurter noch den Ausgleich zu erzielen hielt vor allem Dank Moussa Diaby nicht lange. Der Flügelstürmer war in der Schlussphase gedanklich schneller als die Verteidiger von Eintracht Frankfurt und konnte somit den Weg zum vorentscheidenden 1:3 ebnen.
Dieses Tor zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die physische Schnelligkeit nicht immer der entscheidende Faktor bei Laufduellen ist. Weit häufiger ist der Spieler früher am Ball, welcher eine Spielsituation zügiger erkennt und in der Folge schneller handelt. Das Tor weist aber noch weit mehr auf – selbst auf Bundesliganiveau bestehen noch große und vor allem spielentscheidende Unterschiede im Hinblick auf die Wahrnehmungs- sowie die Handlungsschnelligkeit. Es steckt folglich noch viel Potential in diesen beiden Trainingsschwerpunkten. Um dieses Potential voll auszuschöpfen, sollte die Wahrnehmungs- und Handlungsschnelligkeit gezielt und effektiv trainiert werden.
Doch nehmen wir das Tor, welches die Leverkusener zu großen Teilen der Wahrnehmungs- und Handlungsschnelligkeit von Moussa Diaby zu verdanken haben, mal genauer unter die Lupe.

Unmittelbar nach dem Anschlusstor der in weiß spielenden Frankfurter kommt es zu einem hohen Ball in die Leverkusener Hälfte. Der Mannschaftsverbund der Werkself ist gerade am Vorrücken und der unkontrollierte Ball springt einige Meter vor Leverkusens Innenverteidiger Dragovic (grün) auf. Ihm fehlt die Zeit für eine Ballverarbeitung, da Stürmer Silva in unmittelbarer Nähe ist. Folglich köpft der Innenverteidiger der Leverkusener den Ball direkt und zielgerichtet in Richtung der einzigen echten Spitze Alario (rot).

Diabys Wahrnehmungsschnelligkeit
Der Kopfball von Dragovic (grün) kommt halbhoch beim entgegenkommenden Angreifer Alario (rot) an. In Alarios Rücken folgt ein Frankfurter Innenverteidiger, wodurch ein kontrolliertes Aufdrehen mit dem Ball auf Hüfthöhe nur sehr schwer umsetzbar wäre. Der Angreifer wählt stattdessen das Direktspiel mit dem Oberschenkel. Alario legt den Ball auf den nachrückenden Sechser Palacios (blau) ab.
Bereits mit dem Ballkontakt von Alario hatte Diaby (gelb) die Spielsituation richtig eingeordnet. Frühzeitig erkannte der Außenstürmer, dass die Ablage von Alario bei dem nachrückenden Mittelfeldspieler Palacios landen wird. Dieser kann mit dem Blick in die Spielrichtung agieren und folglich hervorragend das Spiel in die Tiefe suchen. Aus diesem Grund setzte Diaby, welcher noch nicht ganz auf Höhe der Viererkette der Frankfurter war, mit dem Rückpass von Alario zu einem Antritt an. Zu diesem Zeitpunkt standen die beiden Verteidiger, in der Nähe von Diaby, noch auf der Stelle. Die Frankfurter Hintermannschaft konnte die Spielsituation dagegen nicht so schnell wie Diady einordnen. Folglich begann die Frankfurter Kette sich erst nach dem Antritt des Leverkusener Flügelstürmers nach hinten abzusetzen.
Tempovorteil dank Wahrnehmungs- und Handlungsschnelligkeit

Die Ablage von Alario landete bei Palacios, welcher auch das direkte Spiel wählte. Palacios spielte den Ball hoch in den Rücken der Frankfurter Hintermannschaft in den Lauf von Diaby. Wie bereits erwähnt, hat Diaby die Spielsituation früher als die Frankfurter erkannt. Deshalb war der Leverkusener beim Abspiel von Palacios bereits in der Bewegung in Richtung gegnerisches Tor. Die Frankfurter auf der letzten Linie begannen sich dagegen erst unmittelbar vor dem Pass von Palacios nach hinten abzusetzen. Dementsprechend hatte Diaby einen Tempovorteil zum Zeitpunkt des Passes in die Tiefe.
Ein Vorteil, der wenig mit Athletik, sondern weit mehr mit Wahrnehmungs- und Handlungsschnelligkeit zu tun hat. Diaby ist beim Pass hinter die Kette nicht aufgrund seiner physischen Fähigkeiten schneller als die Frankfurter. Vielmehr hat der Leverkusener mehr Tempo, da sein schnelles Wahrnehmen der Spielsituation ihm half, seine Bewegung in die Tiefe früher als die Frankfurter einzuleiten.
Dieser Geschwindigkeitsvorsprung hilft Diaby den Ball in der Tiefe schneller als die Frankfurter zu erreichen. In der Folge konnte Diaby den Ball zwar nicht im Alleingang weiter in Richtung Tor führen aber viel Raum für sein Team gewinnen und das Tor zum 1:3-Endstand vorbereiten.